Die Nutzung von Software-as-a-Service im Vergleich zu selbst-gehosteter oder gar selbst-entwickelter Programme bringt fast nur Vorteile mit sich. Allerdings bedeutet das keineswegs, dass auf sorgfältige Planung verzichtet werden kann.
Kennen Sie den Begriff IT-Legacy? Möglicherweise ist er heute nicht mehr so präsent wie vor zehn Jahren. Damals ächzten zahllose Unternehmen unter dem Druck, die Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit ihrer IT-Systeme an die aktuellen und gestiegenen Bedürfnisse von Kunden und Mitarbeitern anpassen zu müssen.
Sie ächzten vor allem deshalb, weil über die vielen Jahre der Nutzung der Software immer wieder neue Funktionen dazu programmiert wurden und kaum einer der Mitarbeiter das System noch in Gänze verstand, um einen sauberen Migrationsplan auszuarbeiten. Also mussten Berater vom Hersteller gebucht werden … um das alte System abzuwickeln. SAP R/3 hat im Bereich Warenwirtschaft und ERP diesen Ruf. Lotus Notes in der Kommunikation
zwischen den Teams oder so genannte Branchenlösungen beispielsweise in
Gastronomie und Hotellerie. Zweifellos handelte es sich einst um hervorragende Produkte, aber die Anforderungen der Unternehmen hatten sich geändert. Manche Firmen lizenzieren Lotus Notes bis heute, weil sie nur eine einzige Funktion nutzen und nicht wissen, wie sie die ersetzen sollen.
Legacy ist der große Gegner der Transformation. Wer mit viel Geld teure, eigene Strukturen aufgebaut hat, tut sich schwer, diese zu opfern, selbst wenn klar ersichtlich wird, dass ein Systemwechsel angezeigt ist.
Legacy ist auch eng verknüpft mit dem bösen Begriff „Herrschaftswissen“. Das Unternehmen wird ein Stückweit abhängig von den Administratoren, die das System als einzige verstehen. Sie arbeiten Kollegen oder potentielle Nachfolger eben so weit ein, wie sie das wollen.
Alles in die Cloud?
Nun ist man versucht, alles, was im Unternehmen an Software gehostet wird, als potentiellen Legacy-Kandidaten zu brandmarken. Und tatsächlich hat man vor rund 20 Jahren flächendeckend so gedacht. Der „Thin Client“ war der Inbegriff von vernetztem, digitalem Arbeiten. Und das Konzept ist krachend gescheitert. Wenn es zum Beispiel gilt, große Dateien in einer Software zu bearbeiten, dann kosten die Latenzzeiten von Up- und Download massiv Effizienz. Fällt der Netzzugang zeitweise aus, liegt der Betrieb still.
Kein CA-Designer von Rang würde AutoCAD allein in der Cloud nutzen. Bestimmte Funktionen werden durch die Anbindung ans Netz unterstützt oder überhaupt erst möglich gemacht. Die Kernfunktionen werden beim Nutzer installiert und vom Systemadministrator lokal gewartet.
Einer der großen Vorteile von SaaS-Systemen liegt im einfachen Testen. Während die funktionierende Alt-Anwendung weiter ihren Dienst tut, kann ein neues Produkt ausprobiert werden und das ist in der Regel für den ersten Monat kostenlos. Viele Experten sehen hier nicht nur einen Vorteil in Sachen Transparenz, sondern auch einen in puncto Effizienz. So können man sich ja die mühselige Abstimmung mit anderen Stakeholdern sparen und das neue System einfach im „kleineren Kreis“ ausprobieren, bevor es dann zur Implementierung vorgeschlagen wird.
Das ist natürlich blanker Unsinn. Zwar kann man ein Software-Frontend risikolos im Test begutachten, aber wir sprechen ja bei vielen wichtigen Cloud-Anwendungen von solchen, die mit großen Datenmengen, sensiblen Kundendaten und ebenso sensiblen Arbeitsergebnissen der Mitarbeiter funktionieren sollen. Wer würde da echte Tests mit einer Software durchführen, die nicht vorher zum Beispiel auf Sicherheit und DSGVO-Compliance geprüft wurde. Und das machen eben jene Stakeholder, die potentiell umgangen werden könnten: die IT und das Legal-Department.
Ein internationaler Konzern, dessen Name hier nicht genannt werden darf, hat es geschafft, mit Hubspot, Salesforce und der Adobe-Marketing-Cloud gleich drei CRM-Systeme zu lizensieren. Das geschah, weil unterschiedliche Unternehmensteile fast zeitgleich auf die Idee kamen, man bräuchte ein neues CRM-System. Zu allem Unglück saßen die Initiatoren auch noch in unterschiedlichen Ländern. Und in den aufklärenden Gesprächen mit der IT ergab sich, dass man für das alte System eine Lizenz mit fester Laufzeit gekauft hatte, die noch drei Jahre gültig ist.
Faktor KnowHow
Fazit
Es gibt also kein Schwarz und kein Weiß. Tendenziell können sehr viele Prozesse bedenkenlos und oft mit Kostenvorteilen verbunden in die Cloud verlagert werden. Aber nur eine sorgfältige Analyse findet die richtige Mischung aus Cloud und OnPremise. Diese muss neben den aktuellen Kosten und dem Aufwand, der durch die Migration entsteht, auch langfristige Faktoren wie die dauerhafte Anpassung an neue Entwicklungen berücksichtigen. Oder kann Ihr CRM-System ihre Kunden heute schon auf TikTok wiederfinden?
Im Idealfall ist man in der Lage die Gesamtinfrastruktur ein Stück weit zu neutralisieren, so dass man bei Bedarf einzelne Komponenten schnell austauschen kann. Das bedarf eines Wandels im Mindset und der ist nicht trivial. Nicht die Software wird nach den bestehenden Prozessen modifiziert, sondern die Organisation passt sich an.
Boris Radke, früher Chief Information Officer bei ProSiebenSat.1, beschreibt das so: “ Viele Unternehmen legen viel zu viel Wert auf das Customizing von Salesforce oder SAP. Das ist ein Fehler im System. Diese Systeme funktionieren dann, wenn man sie so lässt, wie sie sind. Und man muss akzeptieren, dass man vielleicht seine Prozesse danach ausrichtet“.
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