Loyalty ist in Zeiten flüchtiger Kundenbeziehungen so wichtig wie noch nie. Allerdings erwarten Konsumenten heute mehr als nur digitalisierte Rabattmarken. DEFACTO-Geschäftsführer Martin Grass über den Trend zum intelligenten Bonusprogramm.
Das Internet hat die klassische Kundenbeziehung durcheinandergebracht. Konsumenten können nach Lust und Laune die Läden wechseln, und ihre Daten landen bei den großen Plattformen. Was bringen da noch Loyalty-Programme?
Eigentlich alles, denn ohne sie verliert der Händler den langfristigen Zugang zum Kunden, und es tritt genau das ein, was du beschrieben hast: Händler verlieren ihre Kunden an die Konkurrenz und deren Daten an Amazon. Dagegen lässt sich etwas machen.
Bei klassischen Bonusprogrammen ging es vor allem um Preisvorteile. Damit dürfte es in der Amazon-Ära aber kaum noch getan sein.
Das kommt drauf an. Preisvorteile spielen immer noch eine wichtige Rolle, aber niemand will Coupons ausschneiden und Rabattmarken kleben. Der Kunde erwartet größtmöglichen Komfort und eine durchgängige User Experience. Es geht nicht mehr nur um Transaktion und Nachlass, sondern auch um Interaktion und Brand Experience.
Brand Experience setzt Unterscheidbarkeit voraus.
Richtig. Darum entwickelt sich der Markt weg vom 08/15-Standard-Programm. Jetzt sind nämlich kreative Lösungen gefragt. Es reicht nicht mehr, dieselben Benefits anzubieten wie der Wettbewerber. Es geht um Markenfit und Relevanz für die spezifische Marke und deren Kunden. Idealerweise leitet sich der Loyalty-Mechanismus aus dem Markenversprechen ab.
Hast du ein Beispiel?
Ich habe sogar ein Lieblingsbeispiel: Walgreens, die größte amerikanische Apothekenkette. Walgreens hat eine App entwickelt, die sich mit unterschiedlichen Sport-Apps verbinden lässt und Bewegung belohnt. Wer viel Sport treibt, bekommt Walgreens-Punkte gutgeschrieben. Das passt zur Marke, ist unique und sehr sehr konsequent. Walgreens hat das eigentlich schon im früheren Claim vorweggenommen: „At the corner of happy and healthy.“
Welche Trends gibt es noch?
Das Walgreens-Beispiel deutet es schon an: Gamification. Spielerische Elemente machen das Mitmachen zum Erlebnis. Für Ferrero haben wir zum Beispiel „Run, Run, Rudy“ entwickelt, ein Weihnachts-Gewinnspiel mit 24 Leveln. Je schneller die Aufgaben gelöst werden, umso mehr Punkte gibt es. Gamification ist nicht nur für Sportmarken ein riesiges Thema.
Dann natürlich Messaging. Wir müssen nur nach China schauen, um das Potenzial zu erkennen. Messaging eröffnet eine neue Dimension im Kundenservice, und Service ist immer noch das beste und nachhaltigste Mittel, um Kunden zu binden. Aber nicht nur im Kundenservice. Der Apple Business Chat deutet an, wie Kundeninteraktion der Zukunft aussieht. Der künstlich intelligente und optimierte Kaufentscheidungs-, Kauf- und Nachkaufdialog. Von Anfang bis Ende, nahtlos designed und unter Einbindung der jeweils geeigneten Technologie.
In der Theorie auf jeden Fall, aber die Praxis sieht oft anders aus. Eine Studie hat neulich ergeben, dass große Retailer manchmal Tage brauchen, um eine E-Mail zu beantworten.
Davon habe ich gehört, und es ist aus Kundensicht inakzeptabel.
Was würdest du dem Retailer raten?
Ich kenne den Fall nicht im Detail und gebe meine Ratschläge auch lieber im vertraulichen Gespräch als in der Öffentlichkeit. Nur so viel: Die Verknüpfung und Beschleunigung von Kommunikationskanälen ist nie allein eine technische Herausforderung. Neben der passenden CRM-Lösung braucht es auch Veränderungsbereitschaft in der Organisation und viel Fingerspitzengefühl. Darüber hinaus sind Fehler menschlich und manchmal auch ein Anstoß, um Dinge souverän und markenadäquat zu ändern.
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Martin Grass beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Loyalty und CRM, und hat in dieser Zeit zahlreiche große Kundenprojekte betreut. Der diplomierte Betriebswirt kam 2007 zu DEFACTO. Neben seiner Rolle als Geschäftsführer verantwortet er seit 2018 die Bereiche Data Intelligence, Operations und Corporate Marketing.
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